Streiten wir bald alle um ein Buch?

Um was geht es?
Für Forschung und Lehre ist vor allem eines relevant: Der Zugang zu (Fach)Literatur. Dabei ist nicht nur ein gutes Angebot der Universitätsbibliotheken unabdingbar sondern – gerade in der Lehre – auch die Möglichkeit, Literatur einem bestimmten Personenkreis zugänglich zu machen. Seminar- oder vorlesungsrelevante Texte konnten bisher mittels eines Readers an die Teilnehmer*innen einer Veranstaltung verteilt oder über die Onlineplattform Stud.IP zur Verfügung gestellt werden; Doch das könnte bald Geschichte sein.
Nur die wenigsten Dokumente  sind dabei nämlich frei von Rechten Dritter, es handelt sich um  geistiges Eigentum, wenn auch in den seltensten Fällen derer, die als Verfasser*innen auftreten. Das heißt, dass die Lehrenden teilweise nicht einmal die von ihnen selbst verfassten Texte an die Studierenden weiter geben dürfen. Auch vom Staat finanzierte Forschung müsste absurderweise von den Universitäten als staatliche Institutionen wieder zurückgekauft werden.
Wie ging das bisher?
Der in den letzten Tagen viel erwähnte §52a des Urheberrechtsgesetzes hat bisher ermöglicht die Literatur für Forschung und Lehre in begrenztem Umfang zur Verfügung zu stellen. Dazu wurde ein Pauschalbetrag an die Verwertgesellschaft WORT (VG WORT) gezahlt.
Was ist passiert?
Nach einem BGH-Urteil darf die VG WORT keinen Gewinn mehr an Verlage, sondern ausschließlich an Autor*innen ausschütten. Das heißt, dass es in Zukunft keine Pauschalbeträge an Verlage mehr geben kann, und jede Nutzung von Urheberrecht einzeln abgewickelt werden soll. Diese neue Regelung soll ab dem 1.1.2017 in Kraft treten. Die neuen Vertragsbedingung der VG WORT, welche eine exakte Aufschlüsselung jeder einzelnen Nutzung von „geistigem Eigentum“ fordern, wären mit einem erheblichen verwaltungstechnischen und somit finanziellen Aufwand verbundenen, welche für die Universitäten nicht tragbar sind. Kaum eine Universität in Deutschland wird diesem Vertrag deswegen zustimmen. 
Was bedeutet das?
Ein unnötig großer Verwaltungsaufwand hat jedoch nicht nur zusätzliche Kosten zur Folge: Wie ein Probedurchlauf an der Universität Osnabrück zeigte, würde wegen des erhöhten Aufwands gleichzeitig viel weniger Fachliteratur zur Verfügung gestellt werden, was eine große Einschränkung vor allem in der Lehre bedeuten würde. 
Zudem bestünde vor allem für die Lehrenden ein großes rechtliches Risiko.
Der Konflikt existiert nicht erst seit gestern, doch erst jetzt, da sich keine Lösung abzeichnet, macht die Hochschulrektorenkonferenz die durchaus dramatische Lage transparent. Der Konflikt wird nun auf dem Rücken der Studierenden und Beschäftigten der Universität selbst ausgetragen.
Kommt es zu keiner Einigung, kann die Literatur nicht mehr in der bisherigen Form zur Verfügung gestellt werden. Alle Studierenden, müssten die Texte selbst recherchieren und sich diese über die Unibibliothek oder sogar Fernleihen selbst beschaffen. Das ist nicht nur ein beträchtlicher Aufwand, bei dem es kaum möglich scheint, dass alle Studierenden einer großen Veranstaltung Zugang zu einem Werk erhalten. Ein Streit darum, wer das Medium in den Händen hält wird entbrennen. Beginnen nun Studierende sich die benötigte Literatur sinnvoller Weise selbst zu kopieren, würden die Medien vermutlich schnell starke Verschleißerscheinungen aufweisen und für die Bibliotheken hohe Kosten durch ständige Neubeschaffung versuchen oder nicht mehr verfügbar sein.
Auch wird das Studium für Student*innen erschwert, für die ständinge Bibliotheksbesuche nur mit großem Aufwand verbunden, möglich wären, da sie beispielsweise einer Fürsorgeverpflichtung nachkommen müssen.
Für Studierende können also beide derzeit möglichen Lösungsstrategien (kein Vertrag bzw die neuen vertragsbedingungen akzeptieren) keine akzeptable Möglichkeit darstellen. Wir fordern daher einen freien Zugang zu Literatur vor allem in Forschung und Lehre, der allen einen möglichst schnellen und unkomplizierten Zugang zu relevanter Literatur ermöglicht. Andernfalls werden die Qualität und Freiheit von Forschung und Lehre massiv eingeschränkt und deutlich exklusiver gestaltet.
Wie geht es weiter?
Die niedersächsischen Hochschulen werden den Vertrag nicht unterzeichnen, das erscheint erst einmal sinnvoll, um Druck auf die Verwertungsgesellschaften auszuüben.
Gleichzeitig versucht die Universität in Zusammenarbeit mit der Bibliothek herauszufinden, welche Literatur euch über andere Lizenzen der Universitätsbibliothek zur Verfügung gestellt werden kann. Bereits eingestellte Literatur wird, wenn diese nicht frei von rechten Dritter ist, bei Stud.IP vermutlich zum 01.01.2017 gesperrt werden. Käme es zu einer Lösung des Konflikts könnten diese wieder freigegeben werden.
Was solltet ihr tun?
Bittet eure Dozenten in diesem Semester die für das Seminar relevante Lektüre bis zum Ende des Jahres zur Verfügung zu stellen und achtet darauf, die hochgeladenen Dateien bei Stud.IP ebenfalls bis dahin herunter zu laden. Damit kann die Lehre zumindest für dieses Jahr ohne große Einschränkungen gewährleistet werden.

Mehr Informationen der Universität dazu findet ihr unter https://www.uni-hannover.de/de/studium/elearning/52aurhg/ 
Dort ist auch die Stellungnahme der Hochschulrektorenkonferenz verlinkt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert